Skip to main content
CoachingOrganisationsentwicklung

Wie gut kennen wir uns eigentlich? Durch gegenseitiges Feedback die Selbstkenntnis fördern und die Teamverbundenheit stärken – das JOHARI-Fenster.

By 17. Juni 2022Juni 19th, 2022No Comments

 

Wie wir die Welt, unsere Mitmenschen und sogar uns selbst wahrnehmen ist höchst subjektiv. Dies ist uns jedoch meistens nicht bewusst. Schlimmer noch, wir halten unsere subjektive Wahrnehmung sehr oft für die tatsächliche Wirklichkeit, vielleicht sogar für die Wahrheit.

Zu was diese Überzeugung führt, können wir tagtäglich in eskalierenden Konflikten sehen. Denn die Tatsache, dass subjektive Wahrnehmungen als absolute Wahrheiten gesehen werden, führt im zwischenmenschlichen Miteinander zu den größten Missverständnissen.

Wo absolute Wahrheiten aufeinanderprallen, kann es keine Verständigung mehr geben.

Verständigung und ein konstruktives Miteinander sind nur möglich, wenn die Beteiligten bereit sind anzuerkennen, dass es sich bei ihren Sichtweisen/Meinungen/Anschauungen lediglich um subjektive Wahrnehmungen handelt. Und von diesen sind tatsächlich mehrere nebeneinander möglich.

Zu erkennen, dass wir alle anders auf die Welt schauen, kann auch sehr inspirierend sein und unseren Horizont weiten. Wir können voneinander lernen, uns selbst hinterfragen, uns und unsere Beziehungen weiterentwickeln. Dafür bedarf es eines gewissen Maßes an Offenheit, Neugier und einer Haltung des „sowohl als auch“.

Es gibt verschiedene Herangehensweisen und Methoden, die es uns ermöglichen, unsere eigene Perspektive und die Perspektiven von anderen Menschen übereinander zu legen und damit die unterschiedlichen Wirklichkeiten zu erkunden.

Das Johari Fenster ist eine mögliche Herangehensweise und diese möchte wir im Folgenden kurz erläutern, weil wir sie in unserer Arbeit sowohl mit Einzelklienten als auch in Teams sehr gerne verwenden.

Das Johari Fenster

Ziel der Methode ist es, durch Feedback und Austausch die Unterschiede in der Selbst- und Fremdwahrnehmung zu erkennen und visuell zu verdeutlichen. Denn wie wir uns selbst wahrnehmen und wie andere uns sehen, kann weit auseinander liegen. Mit Hilfe des Johari Fensters können wir den „blinden Fleck“ im eigenen Selbstbild sowie Lücken in der gegenseitigen Wahrnehmung verkleinern.

Das Modell wurde in den 50er Jahren von den beiden amerikanischen Sozialpsychologen Joseph Luft und Harry Ingham entwickelt und wird häufig im Rahmen von gruppendynamischen Prozessen eingesetzt. Der Name „Johari-Fenster“ ergibt sich aus der Zusammensetzung der beiden Vornamen.

Mit Hilfe des Johari-Fensters kann eine Auseinandersetzung mit eigenen Persönlichkeits- und Verhaltensmerkmalen angeregt werden. Diese Auseinandersetzung kann dazu beitragen Konflikte, Missverständnisse und Enttäuschungen im Umgang mit anderen Menschen aufzudecken und dadurch zu lösen.

Das Modell ist so aufgebaut, dass die unterschiedlichen Wahrnehmungen nebeneinander gestellt und somit sichtbar gemacht werden. Indem wir verstehen, wie wir auf andere wirken, können wir deren Verhalten eher einordnen und folglich ein besseres gegenseitiges Verständnis entwickeln. Und es hilft auch uns selbst neu zu entdecken und zu entwickeln.

Das Johari-Fenster eignet sich demnach einerseits, um das eigene Verhalten zu reflektieren und die eigene Selbstwahrnehmung zu schärfen und andererseits, um Feedback zu geben und entgegenzunehmen.

Die vier Bereiche des Johari Fensters

Das Johari Fenster setzt sich aus vier Quadraten zusammen. Jedes Quadrat steht für eine unterschiedliche Kombination aus Selbst- und Fremdwahrnehmung und ist durch spezifische Merkmale gekennzeichnet.

Öffentlicher Bereich: mir bekannt – anderen bekannt

Dieses Quadrat beschreibt den Teil, welcher uns und unseren Mitmenschen bekannt ist. Es enthält die Dinge, die wir selbst und auch andere über uns wissen. Hier stimmt das Selbst- und das Fremdbild überein. Innerhalb dieses Fenster sind wir in unserem Handeln frei und nicht beeinträchtigt von Ängsten und Vorbehalten.

Geheimer Bereich: mir bekannt – anderen nicht bekannt

Dieses Quadrat beschreibt die Teile, die wir selbst von uns wissen, unseren Mitmenschen gegenüber jedoch nicht zeigen. Hier befinden sich unsere verborgenen Ängste, Empfindungen und Wünsche.  Wie groß dieses Fenster ist, hängt davon ab, wie sehr wir den Menschen vertrauen – denn je mehr wir vertrauen, desto weniger Geheimnisse brauchen wir.

Blinder Fleck : mir nicht bekannt – anderen bekannt

In diesem Fenster weicht die Fremdwahrnehmung von der Selbstwahrnehmung ab, denn dieses Quadrat beschreibt die Eigenschaften und Verhaltensweisen, die uns selbst gar nicht bekannt sind, die unser Umfeld jedoch sehr wohl an uns wahrnimmt. Beispiele hierfür sind etwa unbewusste Gewohnheiten und Verhaltensweisen, Vorurteile oder Zu- und Abneigungen. Dies wird häufig auf der nonverbalen Ebene wahrgenommen, etwa durch unsere Gestik und Mimik, unsere Körperhaltung, unsere Wortwahl oder den Tonfall. Regelmäßiges konstruktives Feedback kann helfen, dieses Fenster zu verkleinern.

Unbewusster Bereich: mir nicht bekannt – anderen nicht bekannt

Dieses Fenster spiegelt Eigenschaften und Fähigkeiten, die weder uns noch anderen bekannt oder bewusst sind. In der Tiefenpsychologie wird dieser Anteil als „Unbewusstes“ bezeichnet. In diesem Bereich liegen unsere verborgenen oder ungenutzten Talente, aber evtl. auch verdrängte traumatische Erlebnisse. Der Zugang zu diesem Bereich ist nicht ganz einfach herzustellen, u.A. kann ein gezieltes Coaching oder eine Psychotherapie hilfreich sein.

Arbeit mit dem Johari Fenster

In der Arbeit mit dem Johari Fenster geht es darum, die Größe der verschiedenen Fenster zu verändern. Die Methode kann sowohl in der Gruppe als auch für Einzelpersonen angewandt werden. Je nachdem, welches Ziel verfolgt wird, liegt der Fokus auf unterschiedlichen Fenstern.

  • Wenn es etwa darum geht, sich persönlich weiterzuentwickeln, ist es sinnvoll sich dem „Unbewussten Bereich“ und dem „Blinden Fleck“ zuzuwenden.
  • Wenn das Ziel ist, die Kommunikation und Zusammenarbeit in einem Team zu verbessern, sollte der Fokus auf die Vergrößerung des „Öffentlichen Bereichs“ gelegt werden.
  • Den „Öffentlichen Bereich“ können wir nur vergrößern, wenn es uns gelingt sowohl die „Geheimen Bereiche“ als auch die „Blinden Flecken“ eines jeden Teammitglieds zu verkleinern. Dies kann durch ehrlichen Austausch und konstruktives Feedback gelingen.
  • Um den „Geheimen Bereich“ verkleinern zu können, ist Vertrauen und psychologische Sicherheit innerhalb des Teams von zentraler Bedeutung. Denn wenn wir vertrauen, können wir uns öffnen und auch zu unseren Ängsten und Fehlern stehen und brauchen diese nicht mehr zu verstecken. Dies ist nicht von einem auf den anderen Tag zu bewerkstelligen, es handelt sich um einen Prozess, für den es einen sicheren Rahmen und die entsprechende Haltung im Team braucht. Innerhalb dieses Prozesses können wir uns gegenseitig immer besser kennenlernen und uns gemeinsam weiterentwickeln.
  • Eine Verkleinerung des Bereichs der „Blinden Flecken“ kann durch regelmäßiges Feedback gelingen. Da innerhalb der „Blinden Flecken“ das Selbst- und Fremdbild auseinanderdriftet, geht es hier darum, aktiv nach Feedback zu fragen, um uns unsere unbewussten Gewohnheiten und Verhaltensweisen bewusst zu machen. Wir können uns reflektieren, unser Verhalten und die Reaktionen unseres Umfeldes darauf besser verstehen und einordnen. Hierfür ist wohlwollendes Feedback, aktives Zuhören und die Bereitschaft zu Selbstkritik unabdingbar.

Für die Arbeit mit dem Johari Fenster braucht es sowohl Offenheit und Interesse an persönlicher und gemeinsamer Weiterentwicklung als auch Raum und Zeit für diese Prozesse.

Und was wir am Ende dabei gewinnen sind Vertrauen, Verständnis und Verbundenheit – sowohl für uns selbst als auch für die Menschen um uns herum.